Via Ferrata
Typisch Harald. Hat kürzlich das Klettersteiggehen für sich entdeckt und tut jetzt glatt so, als hätte er die alpine Disziplin selbst erfunden. Unsere Männerrunde hängt gespannt an seinen Lippen oder wohl eher: an seinem Seil. Ja, er zähle jetzt offiziell zu den «Ferratisti», wie sich Geher von Klettersteigen auch gerne bezeichneten.
Harald, du alter Angeber, ...
...denke ich. Ich wusste ja bis heute nicht mal, dass es die besagten «Klettersteige» überhaupt gibt. Unbemerkt zücke ich mein Smartphone und schlage unter dem Tisch nach, dass es sich um gesicherte Kletterwege am natürlichen oder künstlichen Fels handelt. Sogar Nicht-Kletterer oder -Bergsteiger können sich anscheinend mit der passenden Ausrüstung in die senkrechten Felswände wagen!
Während Harald in malerischer Schilderung durch seine spektakuläre Klettersteig-Kulisse schwelgt, serviert der Kellner unsere Pizzen. Etwas abgelenkt bleibt mein Blick an seinem Mundschutz hängen, dessen Motiv mit rockenden Salamischeibchen, tänzelnden Weintrauben und applaudierenden Oliven zum Schmunzeln anregt. Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen, wie sehr ich mich eigentlich darüber freue, dass heute endlich mal nicht Corona, sondern ein munteres Thema unsere Runde fesselt, weshalb ich mich gerne von Haralds Begeisterung anstecken lasse! Als mein Tischnachbar mit einem Glas Barolo und prostender Geste die Initiative für ein gemeinsames Klettersteig-Weekend ergreift, ist die Stimmung an unserem Tisch nicht mehr zu toppen.
Eines schönen Morgens auf ca. 1'500 m
Wir vier in den Bergen – das kann ja heiter werden!
Während wir drei Grünschnäbel unternehmungslustig in unserer gemieteten Klettersteig-Ausrüstung hinter Harald her kraxeln, glänzt der Profi erwartungsgemäss in seiner eigenen Montur.
Der Einstieg führt uns über eine leichte Route mit grossen, natürlichen Tritten.
Hie und da sind Trittbügel und kurze Leitern montiert, vereinzelt kommen wir auch an ausgesetzten Stellen mit einem Seilgeländer vorbei. Nicht, dass ich zu den Besttrainiertesten meiner Generation zähle, aber irgendwie kommt mir das Ganze hier doch etwas leicht vor. Ein wenig mehr Nervenkitzel und körperliche Anstrengung hatte ich mir schon vorgestellt. Unbeabsichtigt vorlaut rutscht mir heraus, weshalb wir – als schwindelfreie, sichere Geher – denn überhaupt eine Sicherungsausrüstung mitführen müssen?! Harald, der gerade einige Tritte über mir weilt, hat meinen Kommentar gehört und wirft mir unverzüglich einen strafenden Blick zu.
Als ob ich vom Berg erhört worden wäre, folgt kurz darauf ein ausgesprochen spannender Felsabschnitt:
Steile und senkrechte Passagen, versehen mit Ketten, Stahlseilen, Leitern und Eisenklammern versprechen einen knackigen Schwierigkeitsgrad!
Wir bewegen uns geschmeidig und in bester Laune durch den aufwändig gesicherten Klettersteig. Den Dreh mit der Selbst-Sicherung haben wir schon bald heraus: Karabinerhaken an den fixierten Drahtseilen einhaken, hochklettern und beim nächsten Abschnitt umhängen. Wie gerne würden wir jetzt ein Selfie posten, aber dafür ist keine Hand frei. Stattdessen lassen wir unserem Enthusiasmus freien Lauf und warten auf das Echo aus der Bergwelt. Das Tal unter unseren Füssen wird allmählich kleiner und kleiner...
Vier Gipfelstürmer in Hochform
Unzählige Körpereinsätze später erreichen wir einen traumhaften Panoramapunkt mit einem Alpenkiosk. Wir setzen uns etwas müde, aber in bester Laune zum Picknicken, auf die felsigen Sitzgelegenheiten. Mit erfrischenden Getränken stossen wir auf unser ungeahnt tolles Berg-Abenteuer an und bedanken uns bei Harald für seine hervorragende Klettersteig-Führung. Ganz klar: Für morgen steht «Via Ferrata Reloaded» auf dem Plan! Für heute beschliessen wir, unsere Erlebnisse mit einer gemütlichen Gondelfahrt talwärts ausklingen zu lassen. Und zur Krönung laden wir Harald heute Abend zum Bierfondue ein.
Wir vier in den Bergen – ein unvergessliches Highlight!
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